Kraftfahrer verzweifelt gesucht 

„Kraftfahrer verzweifelt gesucht“. Diese Schlagzeile machte Mitte Januar die Runde, als das statistische Bundesamt Zahlen veröffentliche, zum Anteil der Babyboomer in Deutschland. Ob Bus- und LKW-Fahrer, Gärtner oder Maurer: Der Fachkräftemangel in vielen Berufen in Deutschland dürfte sich mit dem Renteneintritt der geburtenstarken Babyboomer-Generation noch verschärfen.

Im Jahr 2023 waren knapp die Hälfte Fahrerinnen und Fahrer von Bussen und Straßenbahnen (44 Prozent) mindestens 55 Jahre alt, wie das Statistische Bundesamt auf Basis von Ergebnissen des Mikrozensus berechnete. Auch am Steuer von Lastwagen sitzen mit einem Anteil von 39 Prozent überdurchschnittlich viele Menschen im Alter von 55 Jahren und mehr (Quelle: destatis.de); vgl. auch unseren spezifischen Artikel dazu.

Im Juni des Jahres 2012 waren rund 540.000 Berufskraftfahrer in Deutschland gemeldet, von den insgesamt rund 9.000 Frauen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Berufskraftfahrer (Güterverkehr/LKW) in Deutschland betrug nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit am Ende des Jahres 2019 572.248, was schon eine deutliche Steigerung bedeutet.

Laut Angaben des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung fehlen 120.000 Fahrer. Tendenz: steigend. Jedes Jahr würden 30.000 Fahrer in Rente gehen, nur 15.000 kämen hinzu (Quelle: FrankfurterRundschau).

Im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde 2022 die Regelung zu Berufskraftfahrern noch einmal nacharbeitet, vgl. Make It In Germany.

Es liegen erste Zahlen vor, wie viele dieser Visa bereits ausgestellt wurden: Im Jahr 2022 waren es 1851 Visa, 2023 nur noch 837 und bis Ende August 2024 604. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU hervor. Die meisten dieser Visa gingen demnach an Fahrer aus Serbien, Bosnien und Herzegowina und Kosovo.

Es gibt immer wieder kleine Projekte, die hier ansetzen. So berichtete der Spiegel über die Anwerbung von Busfahrern aus Kenia (vgl. Busfahrer au Kenia Sollen den deutschen Nahverkehr retten). Auch dieses Beispiel verdeutlicht, wie mühselig es ist, auch nur eine Handvoll von Kraftfahrern aus dem Ausland anzuwerben.

Warum ist das Interesse hier so gering bzw. die Zahlen so klein? Hier ein paar wesentliche Gründe:

  1. Zu lang: Die Vorqualifizierung im Ausland auf den Fernverkehr in Europe bzw. Deutschland ist langwierig, zumal wenn noch deutsche Sprachkenntnisse vermittelt werden sollen (was aufenthaltsrechtlich nicht notwendig ist, aber sicher Sinn macht)
  2. Zu teuer: Fehlt die die EU-/EWR-Fahrerlaubnis oder die (beschleunigte) Grundqualifikation oder beide Bestandteile im Vorfeld muss dies innerhalb von 15 Monaten im Inland nachgeholt werden. Diese Maßnahmen und Prüfungen sind sehr teuer, viele Unternehmen scheuen die Kosten
  3. Zu Deutsch: Die Trainingsmaßnahmen und Prüfungen müssen i.d.R. in Deutsch abgelegt werden. Diesen Aufwand scheuen viele erfahrene Kraftfahrer, die über eine Fahrerlaubnis und Erfahrung im Heimatland verfügen, und kein Interesse haben, in Deutschland lange die deutsche Schulbank zu drücken
  4. Zu hoch: zukünftige Beschäftigte, die 45 Jahre alt oder älter sind, müssen ein Mindestgehalt für die Beschäftigung in Deutschland erhalten oder einen Nachweis über eine bislang erworbene ausreichende Altersversorgung erbringen. Dieses Mindestgehalt liegt im Jahr 2025 bei 53.130 Euro (4.427,50 Euro/Monat). Das ist vielen Arbeitgebern zu teuer.

Das Medianentgelt für den Beruf „Berufskraftfahrer/in“ in der Berufsgattung „Berufskraftfahrer/innen (Güterverkehr/LKW) – fachlich ausgerichtete Tätigkeiten“ beträgt laut Berufenet der Agentur für Arbeit 2.930 Euro. Das untere Quantil liegt bei 2.523 Euro und das obere Quantil beträgt 3.446 Euro.

Dabei wäre es grundsätzlich kein Problem, viele Kraftfahrer neben Osteuropa aus Asien oder Afrika anzuwerben. Das mediangehalt ist für diese Bewerber durchaus attraktiv. Über Berufserfahrung verfügen alle diese Bewerber. Wer einmal in den überfüllten Metropolen potenzieller Herkunftsländer gewesen ist, was dort für ein Verkehrschaos herrscht. Und diese Fahrer müssen sich zu helfen wissen, weil eben vielfach die Qualität der Fahrzeuge weiter hinter den Fuhrparks in Deutschland hinterherhinkt. Hier wäre sicher ein Ansatz bzw. eine Notwendigkeit für Weiterbildung.

Auch in Polen, wie auch in Litauen oder in Lettland, werden Berufskraftfahrer gesucht. Hier laufen bereits einige Programme zur Anwerbung von Fahrern aus Indien. Dort wird Werbung gemacht, dass bei einem durchschnittlichen Lohn von 3.000 Euro/Monat für einen polnischen Kraftfahrer, die Lebenshaltungskosten in Deutschland signifikant geringer seien. In der Regel können dort Prüfungen auch in Fremdsprachen abgelegt werden.

Auch Polen ist Mitglied in der EU. Und trotzdem sind Details zur Anwerbung von Berufskraftfahrern, die dort eine EU-Fahrerlaubnis erhalten, anders – heißt leichter und billiger – als im Standort Deutschland.

 

Umgekehrt heißt das, dass entweder der Fachkräftemangel noch nicht gravierend genug ist (und so hohe Preise und Löhne akzeptiert sind) oder die administrativen Hürden zu hoch sind. Zeit für ein Triple Win Projekt für Berufskraftfahrer?