Warum sollte ich mein IT-Projekt nach Marokko outsourcen?
Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft digitaler geworden, wie der aktuelle Digitalisierungsindex des Instituts der deutschen Wirtschaft IW zeigt1. Dennoch bleibt Deutschland im internationalen Vergleich im Hintertreffen und rangiert auf Rang 23 von 64 Ländern.
Dem IW zufolge ist Deutschland 2024 etwas digitaler geworden, in einigen Bereichen gab es aber auch Rückschritte. Verbessert haben sich vor allem die unternehmensinternen Kategorien. Besonders stark legt der Bereich Produkte zu, weil jener Teil des Umsatzes, den Unternehmen mit digitalen Produkten erwirtschaften, im Jahr 2024 kräftig gewachsen ist.
Bedenklich ist zudem der Trend: Seit 2019, als es noch für Rang 17 reichte, hat Deutschland nahezu kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Bereich verloren.
Die Autoren beschäftigen sich in der Studie mit Beispielen, was andere Länder besser machen. Ein Thema ist der Bereich Bildung. In Deutschland fehlen gerade in der Digitalwirtschaft viele junge Talente, gerade in den Behörden oder den behördennahen Dienstleistern sind Führungspositionen nicht oder nicht adäquat besetzt. Zwei Beispiele in Deutschland sind Schulen, wo typischerweise der Lehrer, der sich am besten mit „IT“ auskennt, dann auch der Beauftragte ist. Dasselbe gilt für Behörden wie Staatsanwaltschaften, wo der Jurist, der sich in seiner Freizeit mit Computern beschäftigt, schnell zum Projektleiter „Einführung der digitalen Akte“ avanciert.
Die Autoren benennen das von der EU als vorbildlich bewertete Programm „Skills to Advance“ (Irland) als potenzielle Lösung. Das Programm bietet Qualifizierungs- und Umschulungskurse mit dem Schwerpunkt auf digitaler Bildung. Dabei sprechen zum einen die 16 zuständigen regionalen Bildungseinrichtungen gezielt Arbeitnehmer an, die entsprechenden Weiterbildungsbedarf haben. Das sind beispielsweise Geringqualifizierte und über 50-jährige Beschäftigte, die zur Ausübung ihrer Tätigkeiten (zusätzliche) digitale Kenntnisse benötigen. Die angebotenen Kurse finden teils online, teils in Präsenz statt und sind zeitlich flexibel organisiert, sodass eine Teilnahme außerhalb der Arbeitszeit möglich ist.
Das Instrument zielt also darauf ab, weitere inländische Potentiale zu heben – was absolut Sinn macht. Eine weitere Lösung liegt im wachsenden Talentpool in Afrika. Dort haben Regierungen erkannt, dass in der Bildung, und hier vor allem in der digitalen Bildung, eine riesige Chance liegt, Afrika zum IT-Powerhaus der Welt zu machen. Als Beispiele seien die eine Millionen Coder Initiative in Ghana genannt oder die Mission AI-Kompetenz für eine Million Ugander des ugandischen Ministeriums für IKT und nationale Beratung. Beides Staaten mit einer stark wachsenden jungen Bevölkerung.

Afrikanische Talentpools als Lösung
Neben diesen Bildungsprojekten versuchen sich einige Regionen als BPO und ITO-Dienstleister in Deutschland und Europa zu etablieren. Beispielhaft sei das Projekt GBS Growth Initiative genannt, dass gezielt lokale Anbieter stärkt, ausländische Investoren anlocket und Promotion-Touren in Europa organisiert. So hat sich das Münchner IT Unternehmen MaibornWolff schon vor Jahren überzeugen lassen und mittlerweile ein großes eigenes Unternehmen, Ojemba, in Kigali gegründet, durch das Kunden wie Miele bedient werden. Gerade hat der indische BPO-Dienstleister ttec ein großes Büro in Kigali eröffnet.
Warum Kigali?
In einem Steckbrief begründet das indische Unternehmen seine Entscheidung für Kigali und für die folgenden Gründe an2:
- Kigali ist das sechstsicherste Land der Welt.
- Kigali belegt Platz 38 in der Kategorie „Geschäftsfreundlichkeit weltweit“ und Platz 2 in Afrika.
- Kigali ist die sicherste Stadt Afrikas.
- Kigali belegt Platz 10 in der Kategorie „Technischer Helpdesk-Support“ (GBS World Competitiveness Index 2022).
- hochqualifizierte, digital versierte und motivierte Mitarbeiter mit fundierten Kenntnissen in KI und CX
- Laufende staatliche Investitionen in Infrastruktur und die Entwicklung digitaler Kompetenzen.
Die staatliche Fördereinrichtung in Rwanda, GBS, fasst es selbst wie folgt zusammen:
- Einfache Geschäftsabwicklung
- Starke Infrastruktur
- Zweisprachigkeit und digitale Kompetenzen
- Impact-Sourcing-Ziel
- Lebensstil
Zum GITEX Summit in Berlin Ende Mia hat die deutsche Gesellschaft für Entwicklungszusammenarbeit zehn BPO und ITO-Dienstleister nach Berlin eingeladen und dort eine Roadshow zu deutschen Kunden organisiert. Auf deutscher Seite berichteten die großen Outsourcing-Spezialisten Teleperformance und Concentrix, die schon lange auf dem Kontinent aktiv sind, vor ihren positiven Erfahrungen.
Alle zehn Dienstleister pitchten auf großer Bühne bei der GITEX um deutsche Kunden.
From Ethiopia: Minab IT Solutions, Mereb Technologies, R&D Group. From Ghana: AmaliTech, DevOps Africa, eSAL, FOURTH – IR, Turntabl. From Kenya: Elewa, iTalanta, Oasis Outsourcing, Yelbridges. From Morocco: CGI, Doosys, Sispay, Sofrecom.
From Rwanda: Awesomity, Ojemba.
Hier beispielhaft die Gründe des Dienstleisters NGBS aus Marokko:
- Zweitattraktivstes afrikanisches Land für Investoren
- Aktueller Global Services Location Index (GSLI) Rang 28
- Englisch, Spanisch und Französisch – wettbewerbsfähige und mehrsprachige Arbeitskräfte
- Stabiles Umfeld
- Weltweite IT-Infrastruktur und Ökosystem
- Schneller Zugang zu einem 2,5 Milliarden Verbrauchermarkt
- Junger, vielfältiger, motivierter und leistungsfähiger Talent-Pool
- Führend in der Energiewende
- Umsetzungsorientiert
Vor diesem Hintergrund haben große deutsche bzw. europäische Unternehmen wie Beiersdorf (Marketing, Sales, HR ), Bosch (Sales, HR)) und Nestle (Marketing, Sales, HR, payroll) signifikante BPO-Einheiten in Marokko.
Vergleicht man diese Aufzählung mit den Gründen, die für Kigali genannt wurden, ist offensichtlich, dass zumindest in der Bewerbung die Vor- und Nachteile der einzelnen Standorte schwer zu unterscheiden sind.
Welche Faktoren sollte man betrachten?
Grundsätzlich sollte man sich drei Bereiche anschauen, um die Standorte zumindest grob einordnen zu können.
- Politische Stabilität
- Infrastruktur
- Datensicherheit
Zu1.
Die deutsche Außenwirtschaftsorganisation GTAI bescheinigt Afrika noch immer eine fragile politische Struktur3. Eine hohe Staatsverschuldung, ineffiziente Verwaltung sowie Korruption bremsen in vielen afrikanischen Ländern immer noch den wirtschaftlichen Erfolg. Die G20-Initiative Compact with Africa (CwA) möchte ein besseres Geschäftsumfeld schaffen. Zwölf afrikanische Länder nutzen die Initiative, um die Rahmenbedingungen für nachhaltige Privatinvestitionen sowie ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Welt Bank hat verschiedene Indizes entwickelt, um politische Stabilität zu messen. Viele Afrikaner beschweren sich aber, dass man im etablierten Industriestandaorten entwickelten Faktoren afrikanischen Besonderheiten nicht gerecht werden kann.
Zu 2.
Zu den wesentlichen Faktoren, die man für dieses Feld heranziehen sollte, zählen die Abdeckung mit 4G oder 5G und den Stand Ausbau mit Glaserfasernetzen. Aber auch die Verkehrsinfrastruktur spielt eine Rolle, in einigen Städten sind die Pendelzeiten aufgrund von völlig überfüllten Straßen sehr lang. Hier überbieten sich alle Standorte mit Zahlen & Fakten. Tatsächlich sind Stromausfälle in den vielen Stadtteilen Afrikas noch immer an der Tagesordnung, wenngleich die Zahl und Länge aufgrund der Investitionen immer geringer werden. Gerade rund um Wahlen zensieren viele Regierungen in Afrika das Internet – das schwächt Demokratie und Wirtschaft, zum Beispiel bei den Unruhen in Kenia 2024, als viele junge Menschen gegen die Regierung protestierten4.
Zu 3.
Die operative Anwesenheit von deutschen und international operierenden Anbietern lässt den Rückschluss zu, dass Rwanda hier gute Rahmenbedingungen anbietet. Die Unternehmen können die verschiedenen regulatorischen und datenschutzrechtlichen Vorgaben (wie DSGVO, CCPA, HIPAA, das ruandische Datenschutzgesetz) erfüllen. Datenübertragungen nach Ruanda aus dem EWR sind unter Verwendung der von der Europäischen Kommission veröffentlichten EU-Standardvertragsklauseln möglich.
Auch Kenia als zweites Beispiel ist in dieser Hinsicht schon ziemlich weit. In Kenia gilt seit 2019 das Datenschutzgesetz (DPA), als Pendant zum in der Europäischen Union (EU) geltenden die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sowohl das DPA als auch die DSGVO basieren auf denselben Grundsätzen zum Schutz personenbezogener Daten. Nicht zuletzt deshalb sind die amerikanischen Tech-Giganten auch alle in Afrika, vor allem auch in Kenia, vor Ort und haben dort große Datenzentren und Innovationshub eröffnet. Google kündigte schon 2021 das eine Milliarde Investprogramm in Afrika5. Auch ein Indiz dafür, dass sich Afrika als Digitalalternative weiter etabliert.

Fazit
Im Fazit lässt sich sagen: Es gibt keine klare Empfehlung oder Präferenz für eine der hier beleuchteten Standorte. Es kommt schlicht auf das Projekt an, dass umgesetzt werden soll. Klar ist aber auch, es gibt Alternativen zu den klassischen Outsourcing Standort in Osteuropa und Asien. Es gibt ein schier unerschöpfliches Potential an jungen talentierten Talenten, teilweise mit Englisch als Muttersprache und oft in der gleichen Zeitzone zu Deutschland. Ein zweiter Blick lohnt in jedem Fall. Wir helfen gerne bei der Orientierung.
PS: Wir haben uns selbst für Uganda entschieden und kooperieren dort mit dem Unternehmen Kolaborate (https://www.kolaborate.africa/), mit dem wir künftig gemeinsam Lösungen im Bereich Data Analytics anbieten!